Wie das Start-up jay Metadaten aus der Filmproduktion verwertbar macht
Manchmal entdeckt man in einer Filmszene ein paar Sneaker, dieses hübsche rote Kleid der Schauspielerin oder ein Möbelstück, das man gern nachkaufen möchte. Oder man fragt sich, wo eigentlich diese beindruckenden Klippen am Meer stehen, die ständig im Hintergrund zu sehen sind. Und wie hieß nochmal der Schauspieler, der hier die Nebenrolle spielt?
In der Produktion von Filmen, Serien und Dokumentationen entstehen auch eine Menge Informationen über Drehorte, Protagonist:innen, Kostüme und Requisiten, die bisher aber kaum verwertet und angezeigt werden. Wer nach dem roten Kleid sucht, googelt und hangelt sich mit den typischen Suchworten durch Shopping-Plattformen. Die Schauspieler:innen schlägt man mit dem Second Screen am Handy bei Wikipedia und IMDb nach und zu weiterführenden Informationen über Drehorte wird man nicht fündig. Dabei gibt es all diese Daten, sie werden für die Produktion eines Filmes gesammelt – aber verpuffen dann, weil ein zentrales, digitales Tool zum Speichern fehlt.
Eine Tech-Lösung für alle Filmdaten
Das Potsdamer Unternehmen transfermedia hat mit jay nun eine Metadaten-Technologie gelauncht, die den Filmproduktionen und Distributoren eine automatisierte Lösung zur Erfassung und Bereitstellung anbietet. Ob Daten über Drehorte, Requisiten, Schauspieler:innen oder Kostüme: Alles wird dank Metadaten-Software szenenbasiert verknüpft und hinterlegt. Um die Informationen abzurufen, müssen die Zuschauenden keinen Second Screen nutzen, sondern können sich alles im Film einblenden lassen – und bei integriertem In-Stream-Shopping die angezeigten Produkte sogar direkt kaufen.
Einen Teil des Prinzips kennen Streamingkund:innen von Amazon X-Ray. Hier kann man sich an der Seite des Bildschirms die Schauspieler:innen anzeigen lassen, die gerade in der jeweiligen Szene zu sehen sind. Allerdings ist das das Ergebnis eines aufwendigen Verfahrens, bei dem Szenen manuell unterteilt und die Informationen zu den Protagonist:innen im Nachgang hinzugefügt werden. Zudem bietet Amazon hier nur Informationen zu Cast oder Soundtrack. Mit jay können nun erstmalig jegliche Metadaten eines Films schon während der Produktion erfasst werden – und das in einem automatisierten Workflow. Distributoren erhalten den Film dann direkt mit den verknüpften Daten.
Von Infotainment bis In-Stream-Shopping eröffnen sich damit neue Geschäftsmodelle für Sender und Video-On-Demand-Plattformen. „Es ist eine der größten Herausforderungen, den Wandel mit anzustoßen und zu zeigen, welche Möglichkeiten wir haben“, so Irmela Wrogemann, die bei transfermedia als CMO mit Broadcastern spricht. „Das geht schon in Richtung Change-Management, also darum wie man zukünftig Inhalte denkt, plant und sie ausspielt. Und auch darum Strukturen zu öffnen. Redaktion, Produktion, Distribution und Technologie haben in der Welt der Sender wenig Schnittstellen. Wenn wir hier vernetzter miteinander arbeiten, können wir viel gewinnen. Und dem Publikum letztlich ein besseres Inhaltserlebnis bieten.“
Im Bereich der Metadaten forscht transfermedia schon länger. Das Team rund um Peter Effenberg greift dabei auf die langjährige Erfahrung in der Filmproduktion, auf technische Expertise und intensive Forschung zum Thema Metadaten zurück.
In-Stream-Shopping: direkt kaufen statt lange googeln
Das Prinzip vom Shoppable Content kennen wir von Social Media. jay macht In-Stream Shopping nun auch für die Filmbranche möglich. Dem Streaming-Markt kommt das zugute, denn Dienste wie Netflix, Disney und Co. sind auf der Suche nach neuen Geschäftsmodellen. Die Abozahlen beginnen zu sinken und das Prinzip, ständig neuen Content zu produzieren, erreicht seine Grenzen. So denken manche Anbieter:innen bereits darüber nach, Werbung zu schalten, um neue Einnahmequellen zu generieren. An diesem Punkt setzt jay mit der Möglichkeit des In-Stream-Shoppings an. Product-Placement, wie es regelmäßig in großen Blockbustern von James Bond bis Spider Man zu sehen ist, funktioniert ähnlich – aber In-Stream-Shopping läuft hier viel hürdenloser, direkter und messbarer ab. Die Zuschauenden müssen nicht im Nachgang nach Hersteller oder Marke recherchieren, sie können sich stattdessen direkt mit einem Klick während des Streamings das richtige Produkt anbieten lassen. Basis dafür ist die digitale Metadatenerfassung mit jay während der Produktion. In naher Zukunft wird es an Filmsets voraussichtlich neue Berufe rund um Datenerfassung geben, ein Data Wrangler gehört dann möglicherweise zur Standardbesetzung. Denn es lohnt sich, die Daten aus Drehbuch oder Skript Continuity im laufenden Prozess vollständig zusammenzuführen. Eine Datenerkennung durch Künstliche Intelligenz ist aktuell – und auch in naher Zukunft – keine Option. So ist ein rotes Kleid leicht verwechselbar, der Algorithmus hier noch überfordert und fehleranfällig.
Die Bedürfnisse der Zuschauenden verstehen
jay ermöglicht nicht nur die zentrale Bedienung und Speicherung von Daten, sondern analysiert und verifiziert sie auch mittels des Features DataQuality, um die Informationen den Standards der Distributoren anzupassen. Verantwortlich dafür, sie dann in der jeweiligen Plattform richtig einzubinden, sind die Sender und Streamingdienste. jay steht ihnen in der Umsetzung aber beratend zur Seite und führt aktuell auch eine User Research durch, um die Bedürfnisse der Zuschauenden besser zu verstehen: An welchen Zusatzinformationen sind sie besonders interessiert? Wie wollen sie mit den Daten interagieren? Und was ist ihnen beim Design wichtig?
Nicht nur das Umdenken bei den Sendern ist ein Thema, auch Vorbehalte gegen einen möglichen Ausverkauf des Films schlugen transfermedia schon entgegen. Eine Kritik, die nachvollziehbar sei, so Wrogemann. In-Stream-Shopping passe nicht zu jedem Format. Für Arthouse Filme kommt es eher nicht infrage, aber für romantische Komödien oder Serien, in denen Merchandising eine Rolle spielt, bietet es sich zum Beispiel an. Zudem ermöglicht jay nicht nur Shopping, sondern auch Infotainment. Mit dem rbb Doku-Drama „Kennedys Liebe zu Europa“ hat jay schon einen ersten Use Case realisiert. Dank der neuen Inhaltsebene können die Zuschauenden weiterführende Informationen über die Darsteller:innen, historischen Ereignisse und Orte direkt im Player einsehen. Der rbb ist damit der erste deutsche Sender, der In-Stream-Interaktion in dieser Art umsetzt.
Als Zielgruppen stehen für jay neben den Zuschauer:innen als Endkund:innen vor allem die Distributoren wie Sender und VoD-Plattformen sowie die Produzenten im Fokus. Während sich dem Publikum durch die Technologie von jay neue Inhaltsebenen eröffnen, kann die B2B-Zielgruppe Einnahmequellen über In-Stream-Shopping generieren und auch Filmproduktionen haben die Möglichkeit, sich im Vorfeld breiter zu finanzieren. Den ersten großen Use Case zum In-Stream-Shopping will jay gemeinsam mit einem Sender im nächsten Jahr umsetzen.