Welche Chancen sich jetzt für Unternehmen bieten
Eine virtuelle Welt, die als Pendant einer zusätzlichen Realität zu unserer wirklichen Welt gelten wird? Als Metaverse existiert dieser digitale Raum momentan auf unterschiedlichen Plattformen wie Decentraland, The Sandbox oder Fortnite. In der dreidimensionalen Erweiterung können wir einen Avatar generieren, damit virtuelle Konzerte oder Kunstausstellungen besuchen und digitale Waren erwerben. Was wir bereits aus interaktiven Spielen wie Second Life kennen, hat nun ganz andere Dimensionen. Nachdem Gamer:innen und Künstler:innen das Metaverse bereits für sich entdeckt haben, ist es für Marken und den Handel Zeit, hier Potentiale zu erkunden. Momentan ist es ein Versprechen – das Versprechen einer Online-Welt, die es bald geben wird und die als virtuell durchlässige Welt mit unserer Realität verknüpft ist.
Zünden wir mit Metaverse die nächste Stufe des Internets – und wenn ja, was heißt und braucht es, für den Handel, hier dabei zu sein?
Am 10. Oktober veranstaltete der Digitalverband Bitkom den Roundtable „Handel im Metaverse“ als ganztägiges Event in Babelsberg. Neben Input von Dr. Sebastian Klöß, Bereichsleiter Consumer Technology, AR/VR & Metaverse Bitkom und Bianka Kokott, Referentin für Digitale Transformation, sprachen weitere Expert:innen der Branche, darunter auch die MediaTech Hub-Mitglieder Eric Wolff von der Halostage und Sven Bliedung von Volucap sowie Anna Franziska Michel von yoona.ai und Benjamin Heese von Feelbelt.
Zum Einstieg der Veranstaltung gaben Sebastian Klöß und Bianka Kokott einen Abriss, der wichtigsten Fragen, die sich rund um die Thematik auftun: Was ist mit Gaming? Was mit NFTs? Wie sieht es steuerlich und rechtlich aus? Welche definierten Standards gibt es bereits? Und: Wie weit ist die Technik? Auf den Handel bezogen ist man sich vor Ort schnell einig: Von Anfang an dabei sein, das lohnt sich. Nicht nur, um nicht die Fehler des stationären Handels im Hinblick auf E-Commerce zu wiederholen, sondern auch um die Entwicklung mitzugestalten, neue Geschäftsmodelle auszuloten und Learnings zu generieren.
Produkte und Geschäftsmodelle für die dritte Dimension
Das digital-spielerische Umfeld des Metaverse macht zum Beispiel kreative Produktpräsentationen möglich. Lebensmittelhändler Kaufland ließ sich dort einen Store im Stil des Nintendo-Switch-Spiels bauen. Beim Kinder-Fahrradhersteller Puky können in interessierte Käufer:innen in digitalen Showrooms mittels AR die Sattelhöhe und Wunschmodell testen. International experimentiert Sportartikel-Riese Nike mit Nikeland. Hier finden die Nutzer:innen neben Spiel- und Sportideen natürlich auch digitale Schuhe, Kleidung und Accessoires für ihre Avatare. Dahinter stecken allerlei Monetarisierung- und Aktivierungsstrategien, die getestet werden. Die Dynamik nimmt international zu – bereits heute sind viele bereit, für virtuelle Gegenstände oder Ausstellungsstücke Geld auszugeben. Zwar geben laut einer Bitkom-Studie diesen Jahres 67 Prozent der Deutschen an, noch nie davon gehört oder gelesen zu haben, aber unter denen, denen Metaverse ein Begriff ist, können sich bereits 27 Prozent vorstellen, dort zu shoppen – in der Altersgruppe der 16- bis 29-jährigen ist es sogar jede:r Dritte.
Virtuelle Güter werden stärker gehandelt. Für Handelsunternehmen kann das den Vorteil haben, neue virtuelle Produkte relativ kostengünstig aufzusetzen und zu testen und somit das eigene Portfolio zu erweitern. Auch Nike hat im Metaverse kooperiert und dort eine Sneakers-Edition mit Kunstcharakter gelauncht.
Ein Konsens des Roundtable war, trotzdem nicht in Aktionismus zu verfallen. Es brauche einen Grund, dort aufzutreten – auch für den stationären Handel. Welchen Anreiz kann man den Nutzer:innen geben? Es müsse klar sein, betont auch Sebastian Klöß im darauffolgenden Gespräch, dass das Metaverse den Handel nicht ersetze. Es sei ein weiterer Kanal, der dazukomme. Hier löse nicht eine neue Welt die alte ab – vielmehr sei es eine Einladung zur Erweiterung.
Für die Präsenz im Metaversen ist die Gestaltung digitaler, dreidimensionaler Content-Elemente notwendig. Dreh- und Angelpunkt für das Metaverse sind deshalb Medientechnologien wie Augmented Reality oder Virtual Reality. Schon heute zeigen uns Apps mit AR, wie der Turnschuh, für den wir uns gerade online interessieren, an unserem Fuß aussieht. Und dank der technischen Entwicklung rund um 3D-Daten können Händler:innen viel einfacher und auch kostengünstiger ihr gesamtes Sortiment online abbilden oder in der kommenden Saison austauschen. Das zeitintensive, teure Hochrechnen und Scannen der Produkte stellte lange eine Hürde dar.
Die Zukunft des Einkaufens?
„Wenn man den Hype-Charakter ignoriert, dann zeigt sich: Für Handel im Metaverse braucht es ein Erlebnis, etwas Ergänzendes, das nicht nur mein Bedürfnis nach Konsum abbildet, sondern es auch schafft, das Ganze mit etwas Unterhaltsamen zu verbinden.“, so Bianka Kokott.
Mit Avataren, die es uns ermöglichen, in ganz andere Rollen zu schlüpfen, lasse sich so etwas zum Beispiel gut abbilden. Das Metaverse als Erweiterung meiner Welt beinhaltet auch einen hohen sozialen Aspekt: Ein Austausch untereinander ist uns ein Grundbedürfnis. „Mit dem Metaverse bekommen wir einen Riesenmehrwert – wir haben die Möglichkeiten, uns mit anderen zu verabreden, und in Gruppen zu interagieren oder auch Gruppen zu wechseln. Das geht über mein Leben vor einem Bildschirm weit hinaus. Avatare und das Zusammentreffen geben uns ein Präsenzgefühl, das in den kommenden Jahren noch wichtiger wird.“, so Klöß.
Das langsame Austesten gilt auch für die Zielgruppe. Mit kleinen Schritten oder realitäts-erweiternden Angeboten wie AR können die Interessenten langsam an das Metaverse herangeführt werden. Dazu müsse der Handel deren Bedürfnisse verstehen und über die Grenzen der realen Alltagswelt hinausdenken.
Am Ende des Tages ließ sich das Fazit ziehen: Es braucht keine Millionenbeträge, um jetzt die ersten Fühler in Richtung Metaverse auszustrecken. Die Handelsunternehmen sollten sich mit dem Thema in der kommenden Zeit beschäftigen und mit Experten aus dem Film-, Games- und Digitalbereich in Austausch treten, die bereits viele Schnittstellen zum Metaverse bieten. Die Teilnehmenden wurden im Anschluss durch das Virtual Production Studio Halostage und das volumetrische Studio Volucap in Babelsberg geführt. Vor LED-Technikkulisse der Halostage können Szenen vor beliebigen Settings, die im Hintergrund projiziert werden, realitätsecht gefilmt werden.
Das Volucap bietet dank der Auflösung von 32 Kameras und einem einzigartigen Lichtsystem als eines der wenigen Studios weltweit die Möglichkeit, Menschen in Bewegung dreidimensional einzuscannen. Beide Aufnahmetechnologien wurden ursprünglich für die Filmbranche entwickelt und sind wie gemacht für das Metaverse und die neue Realität.
Über die Veranstaltungsreihe:
Bitkom veranstaltet unter dem Dach des metaverse forum by bitkom regelmäßige Roundtables und bringt die zentralen Akteure des Metaverse aus seinem Netzwerk und darüber hinaus zusammen. In dieser Veranstaltungsreihe wird das Metaverse aus den Blickwinkeln AR & VR, Blockchain, Intellectual Property & Digital Content, Marketing sowie Recht und Steuern beleuchtet. Auf Teilnehmende warten Vorträge von ausgewiesenen Expertinnen und Experten.