Die Mixed-Reality-Anwendung von 2Sync integriert physische Objekte in die virtuelle Welt
Setzen wir eine VR-Brille auf, befinden wir uns in einer neuen Realität – einer digitalen Umgebung. Wir sehen umher und entdecken unter uns einen Wasserfall, sehen über uns ein Spaceship-Battle oder vor uns ein Angriff von Monster-Mutanten. Alles ist möglich. Was wir in diesem Moment aber mit der durch die Brille generierten Welt nicht wahrnehmen: den Raum um uns herum, die Wände, andere Personen, Tische, Stühle.
Das Start-up 2Sync hat eine Lösung entwickelt, die es ermöglicht, die reale und virtuelle Welt miteinander zu verschmelzen. Die Anwender:innen erleben hier, wie ihre reale Umgebung in eine neu digitale Welt integriert wird. Ihrer Wirklichkeit wird eine „zweite digitale Haut“ überzogen, so formuliert es Gründer Moritz Loos im MediaTech Hub Interview. Eine komplette Wohnung lässt sich mit der entsprechenden Anwendung und einer VR-Brille in eine Spielewelt verwandeln, in der wir uns nicht nur bewegen, sondern auch Gegenstände fühlen können. Die VR-Experience wird um ein immersives Erlebnis erweitert.
Jedes Objekt im Raum wird zum Interaktionselement
Der Wohnzimmertisch vor uns zeigt sich etwa als Mauer einer alten Maya-Spielstätte, die Tür zum nächsten Raum kann zum Beispiel der Eingang in eine Höhle sein. Jeder reale Gegenstand wird virtuell gespiegelt – und kann somit abgewandelt werden. Und die Anwendung bezieht nicht nur die Räume und Gegenstände darin mit ein, über Multiplayer-Funktionen lässt sich auch mit mehreren in der gleichen VR-Anwendung agieren. Die VR-Welt kann gemeinsam mit Freund:innen betreten werden. „Jeder Spielende ist im Raum registriert und sieht den gleichen Tisch oder was daraus gemacht wird und weiß, wo die Mitspielenden sind. Über die Avatar-Funktion sind sie im Raum integrierbar. Wir können uns im Spiel sogar ein echtes High Five geben“, so 2Sync-CEO Moritz Loos. Dass das für die Gamesbranche ein Gewinn ist, liegt auf der Hand.
Aber auch im B2B-Bereich eröffnen die Mixed-Reality-Lösung von 2Sync neue Chancen: Mit der zweiten, digitalen Realität lassen sich theoretisch Klassenzimmer in Museen umwandeln, Räume für Job-Trainings ausstatten oder unser Wohnzimmer auf Knopfdruck in eine Fußball-Arena oder eine historische Mayastätte verwandeln. Der Fußballarena-Platz auf der Empore ist eigentlich unser Sofa, das wir mit Freund:innen teilen. In der Maya-Stätte tasten wir die alten Mauern ab (eigentlich unser Bücherregal) oder gehen um Säulen (die Zimmersäulen) herum. Alle Objekte in unserer Umgebung sind anfassbar und einbeziehbar. Für Siemens hat 2Sync kürzlich eine Beispielanwendung gebaut, in der die Mitarbeitenden spielerisch VR, AR und MR geführt werden, um sie damit vertraut zu machen.
Eine Raum-unabhängige und Plattform-unabhängige VR-Erfahrung
Die Technologien, die 2Sync dafür bietet, sind Plattform unabhängig. Damit jede Oberfläche ein Interaktionselement werden kann, muss sie erst erfasst werden. Die Voraussetzung ist der Scan des Raumes, der sich sogar über das Handy vornehmen lässt. Die VR-Erfahrung selbst, die 2Sync beschreibt, ist dann Raum-unabhängig und Plattform-unabhängig. „Wir haben Tools gebaut, um die Welt parametrisch und dynamisch zu beschreiben“, so Loos. Statt statischer Definitionen bekommen die Programme eine platzierungsunabhängige Beschreibung geliefert. So kann sich die digitale Welt dann dem Raum anpassen.
Moritz Loos hat nach seinem Master der Medieninformatik am Hasso-Plattner-Institut als Software-Entwickler mit einem Location-Based-Entertainment Projekt gearbeitet, also einer VR-Anwendung, die nur in einem Raum funktioniert. Das war ihm schnell zu statisch und auch zu zeitaufwendig. Denn all die dazugehörigen Assets, die man in einem sehr manuellen Prozess ebenfalls für die reale Welt ausmessen musste, baut man als virtuelle Assets nur für den Raum nach. Wie passe ich die virtuellen Objekte auf die Realität an? Wie finde ich umgekehrt virtuelle Objekte für dieses Objekt?
Statt sich diesen zwei Fragen von zwei Seiten zu nähern, suchte er nach einer Lösung, dies anhand eines Raumes prozedural zu generieren und entwickelte die Idee für die Masterarbeit weiter. Der Kontakt zu Mitgründer Julian Zietemann, der als IT-Management-Consultant tätig war, kam über das HPI-Gründertreffen zustande. Mittlerweile ist 2Sync Teil des MTH Accelerators. Zusammen haben sie Spiele wie „Zombies“ und „House Defender“ entwickelt, die kostenlos zum Download bereitstehen und gleichzeitig als Türöffner für die Tools von 2Sync dienen.
B2B-Markt, Gamesbranche und Location Based Entertainment
Ihre Software verwandelt dabei nicht nur unsere Küche oder unser Wohnzimmer zu einer Zombielandschaft – auch der LBE-Anbieter (Location Based Entertainment), die VR-Flächen in Freizeitcentern betreiben, erschließen damit neue Spielfunktionen für ihre Gäste. Denn deutschlandweit gibt es Spielhallen und VR-Arcades, die zwar viel Platz an Spielfläche bieten, aber eine feste Umgebung pro Spieler freihalten müssen – oft sind das etwa 2×2 Meter pro Person.
2Sync hat mit House Defender ein Spiel auf dem Markt, bei dem die unterschiedlichen Raumlayouts der einzelnen Spielecenter einfach integriert werden. Für die VR-Umgebung von 2Sync macht es keinen Unterschied, ob einer der Räume an einer Stelle eine Säule hat oder an anderer Stelle verwinkelt ist. Auch hier sind mehrere Spielende auf einer Fläche möglich. Sie können miteinander agieren und dabei einen größeren Radius ausnutzen. Der Vorteil solcher Flächen sei auch, dass die Anbieter ihre Fläche einmalig professionell scannen, während oft die Zuhause-Scans den wenigen Technikbegeisterten unterliegt, so Loos. Das Feedback aus den Hallen nutze man, um ein eigenes Spiel gezielt dafür auszuarbeiten und auch in den US-Markt zu gehen. Ob für die Games-Branche oder den B2B-Bereich: Statt eine neue Realität zu erschaffen, lässt das Start-up mit seiner Anwendung die Grenzen zwischen unserer Wirklichkeit und der digitalen Welt immer wieder aufs Neue verschwimmen.
Image Credit: 2Sync